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Mobilität: Pragmatismus statt Dogmatismus

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Tags: Effizienz, Connectivity, SeeThinkAct, KünstlicheIntelligenz, NullEmissionen
Fahrverbote sind ein Beispiel dafür, wie sich die Konfliktsituation um individuelle Mobilität zunehmend verschärft. ZF setzt sich für pragmatische und technologieoffene Lösungen ein, um den aktuellen Herausforderungen effektiv zu begegnen.
Martin Westerhoff, 15. März 2019
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Martin Westerhoff studierte Technikjournalismus und schreibt seitdem über Fahrzeuge und Technologien. Er hat ein Faible für Motorsport und Rennwagen.
Die individuelle Mobilität gerät immer mehr unter Druck. Denn Fakt ist: Der Straßenverkehr nimmt in Ballungszentren stetig zu. Die Schadstoffbelastung steigt. Und der Gesetzgeber handelt verstärkt mit Verboten. Überdeutlich zeigt das die Diskussion über Fahrverbote in deutschen Innenstädten, die international Aufmerksamkeit erregt. Während Politik und Experten noch über die Grenzwerte diskutieren, stellen sich beim Autofahrer vor allem Hilflosigkeit, Unsicherheit und Verärgerung ein Sie blicken oft nicht mehr durch, welche Technik zukunftssicher ist.

Wenn Mobilität eingeschränkt oder sogar verboten wird, sind Proteste vorprogrammiert. „An dieser sich immer weiter entwickelnden Konfliktsituation müssen und wollen wir alle arbeiten, um die Situation zu verbessern“, erklärt Wolf-Henning Scheider, Vorsitzender des Vorstands von ZF. In einer vielbeachteten Rede auf dem 21. Technischen Kongress des Verbands der Automobilindustrie (VDA) in Berlin forderte er Pragmatismus und Technologieoffenheit, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Neue Mobilität wird sich vor allem in der Elektrifizierung, der Automatisierung sowie Cloud-basierte Services manifestieren.

Elektrifizierung erst im Hochlauf
Wer die Elektromobilität ganzheitlich und nüchtern betrachtet, stellt rasch fest: Reine Elektrofahrzeuge sind flächendecken keine kurzfristige Lösung. Einige Fakten zeigen, warum das so ist:
  • 2018 wurden weltweit 94 Millionen Fahrzeuge neu zugelassen, inklusive Vans und Pickups. 2,23 Millionen davon waren E-Fahrzeuge, also Plug-in-Hybride (PHEV) oder batterieelektrische Fahrzeuge (BEV). Absolut betrachtet ist das bereits eine ansehnliche Zahl. Die Quote von 2,4 Prozent zeigt allerdings, wie groß das verbleibende Entwicklungspotential noch ist.

  • Die Anzahl von Ladepunkten wurde in dieser Dekade bislang massiv ausgebaut. Existierten 2010 weltweit gerade einmal rund 7.700 Ladepunkte, waren es im Jahr 2017 bereits über 748.000. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate beträgt gewichtige 92 Prozent. China ist dabei der maßgebliche Treiber. Auch in Deutschland ist die Anzahl der Ladepunkte massiv gestiegen: Ende 2018 existierten 16.100 Ladepunkte. Diese standen jedoch 150.000 E-Fahrzeugen, also PHEV und BEV, gegenüber. Das entspricht einem Verhältnis von 1:9. Auch wenn das Verhältnis im Durchschnitt ausreichend wäre, um eine Versorgung zu gewährleisten, ist doch zu beachten, dass der Anteil der E-Fahrzeuge an der Gesamtpopulation noch auf einem sehr niedrigen Niveau liegt.
92 Prozent
betrug durchschnittlich der jährliche Zuwachs an weltweiten Ladepunkten zwischen 2010 und 2017

  • Auch wenn die Ladeinfrastruktur deutlich besser ausgebaut wäre, existiert immer noch die Herausforderung einer nachhaltigen und regenerativen Stromerzeugung. Weltweit tragen nach wie vor große Mengen fossiler Energieträger zur Stromerzeugung bei. 2016 betrug deren Anteil in China 72 Prozent, in den USA 65 Prozent und in Deutschland 56 Prozent. E-Mobilität ist damit derzeit noch nicht CO2-neutral.

Antriebskonzept mit Reichweite gefragt
Was also ist zu tun, damit E-Mobilität flächendeckender genutzt werden kann? Ein zentrales Hindernis ist dabei die Unsicherheit der Verbraucher, vor allem hinsichtlich der Reichweite. Dabei zeigt ein Blick in die Statistik: viele alltägliche Mobilitätsanforderungen ließen sich bereits mit einer vollelektrischen Reichweite von 80 Kilometern erfüllen. Am Beispiel Deutschland gemessen betragen die alltäglichen Wegstrecken zur Arbeit bei 75 Prozent aller Pendler weniger als zweimal 25 Kilometer – also insgesamt 50 Kilometer pro Tag. Zudem sind 90 Prozent aller Einzelfahrten unter 40 Kilometer lang.
Um der E-Mobilität zum Durchbruch zu verhelfen, müssen ergo mit höchster Priorität die Reichweiten erhöht werden. Um damit der Angst vor dem „Liegenbleiben“ entgegenzutreten. „Wir müssen ein Fahrzeugkonzept realisieren, das in der Lage ist, den Mobilitätsbedarf einer durchschnittlichen Familie im Alltag vollelektrisch abzudecken, und dessen Akzeptanz parallel nicht durch Reichweitenangst eingeschränkt ist“, erklärt Wolf-Henning Scheider.

Lösungsansatz: Plug-in-Hybrid wird zu EVplus
Eine Technologie, mit der die identifizierten Problemstellen ausgeglichen werden können, existiert bereits: der Plug-in-Hybrid. Allerdings genießen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor und elektrischem Antrieb der ersten Generation heute nicht den besten Ruf. Dies vor allem deshalb, weil die elektrische Reichweite noch unzureichend ist und das Konzept nicht durchgängig in allen Fahrzeugklassen Eingang gefunden hat. Aber die Technologie funktioniert und ist verfügbar. Plug-In-Fahrzeuge der neuesten Generation werden daher weitaus mehr elektrische Reichweite zur Verfügung stellen müssen. „Den Plug-in-Hybrid der nächsten Generation nennen wir bei ZF EVplus. In der Gesamtbetrachtung wird bei dieser Generation der Großteil aller Fahrten vollelektrisch erfolgen können“, erklärt Scheider das Konzept. „Wir sehen eine Reichweite von 80 bis 100 Kilometern gesichert.“

EVplus mit vorteilhafter Gesamtbilanz
Zieht man alle Faktoren in Betracht, dann verfügt der EVplus über eine vorteilhafte Gesamtbilanz hinsichtlich CO2-Emission und Kosten im Vergleich zu BEV und Fahrzeugen, die ausschließlich ein Verbrennungsmotor antreibt. ZF hat dazu eine Analyse über den gesamten Lebenszyklus eines C-Segment-Fahrzeugs mit einer Laufleistung von 150.000 km durchgeführt. Kommt beim Betrieb zu 80 Prozent der elektrische Antrieb und zu 20 Prozent der Verbrennungsmotor zum Einsatz, schneidet beim heutigen Strommix ein PHEV hinsichtlich der CO2-Gesamtemission sowohl in Europa, China und den USA besser ab als die beiden anderen Antriebsarten (siehe Grafik).

Auch kostenseitig ergeben sich Vorteile. Diese sind maßgeblich durch eine deutlich kleinere Batterie gegenüber einem BEV mit vergleichbarer Reichweite bestimmt.
Für Wolf Henning Scheider steht deshalb fest: „Bei einer pragmatischen Betrachtung können wir schon heute auf Technologien zurückgreifen, die uns helfen, unsere ambitionierten und selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Wir müssen den Fragen der Mobilität von heute und morgen nur technologieoffen und vorurteilsfrei begegnen.“ ZF bietet bereits heute eine breite Palette an Antriebskompontenten für Hybrid- und rein elektrische Fahrzeuge, vom Scooter über den Pkw bis zum Nutzfahrzeug.
„Wir müssen den Fragen der Mobilität von heute und morgen technologieoffen und vorurteilsfrei begegnen.“
Wolf-Henning Scheider, Vorsitzender des Vorstandes der ZF Friedrichshafen AG

Neue Mobilitätsformen als ergänzende Alternative
ZF’s „Next Generation Mobility“ basiert jedoch auf mehr als elektrifizierten Antrieben. Sie bedeutet auch Vernetzung und Automatisierung. Das Ziel: intermodale Mobilität. „Die effiziente Verbindung verschiedener Verkehrsträger ist heute durch künstliche Intelligenz, Deep-Learning-Algorithmen und neuronale Netzwerke möglich“, beschreibt ZF-Chef Scheider. Innerhalb von Fahrzeugen ermöglicht ein umfangreiches Angebot an Sensoren, der aktuell leistungsstärkste Automotive-Supercomputer ZF ProAI RoboThink sowie intelligente mechanische Komponenten, Mobility-as-a-Service- und Transport-as-a-Service-Lösungen schnell Realität werden zu lassen. Wie ein vernetztes Ride-Hailing-Angebot mit einem autonom fahrenden Van aussehen konkret aussehen kann, veranschaulichte ZF im Rahmen der Consumer Electronics Show (CES) Anfang 2019 in Las Vegas mit einem Demofahrzeug.
Mit seinen Produkten und Services trägt ZF dazu bei, die Mobilität der Zukunft zu gestalten – ohne Verbote und zunehmende Konflikte. „Entscheidend aber für die Mobilität der Zukunft, die wir alle gemeinsam gestalten wollen und müssen, ist ein technologieoffener und pragmatischer Ansatz“, fordert Wolf-Henning Scheider.

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